Tunneleffekt
Tunneleffekt
Wand der Augen
Exile
Poesia erotica
Schnelle Grenze
Parallele Universen
Posthume Poetik
Lichttunnel
    INHALT
     
     

     I  DIE WAND DER AUGEN 

       (TOKANISCH)
     
     

    Tiefen. Harmlos

    Dachdecken

    Der Augenblick

    Und hör die Stimme

    Daß er sich hinzieht

    Du staunst
     
     

     Wer hat mich oben

    Schrift

    Hältst Ausschau

    Grasgrüne helle flechte

    Die Fremden

    Als wäre es so
     
     

    DIE UNFERTIGE WELT

    Zu Annette Rowdon

    Es ist die Glocke
     
     

     II  EXILE
     
     

    Weiß ich denn

    Zurück also

    Hier in diesem Haus

    Weißblaue Zimmer

    Säuglinge

    Kinder Lose

    So wird ich stehlen

    Die Geburt der Erinnerung

    Was aus den Märchen

    Gespräche mit toten Kollegen

    Vom Weitermachen

    Himmel oder Erde

    Zu Annette Rowdon Resurrection II

    NOOTEBOOM

     Ja, Herrn Cogito
     
     
     
     

    III POESIA EROTICA
     
     

    Nacht Ruhe

    Kommt Liebe zu spät

    So geh ich wirklich

    Rettung durch Evas Apfel

    Meere. Poesia erotica

    Und unter dem Nachtrand

    Ich gespalten

    Rondinara

    Panerotik

    Du über uns

     Eingang

    Wie Laute Silben

    Maria

    Der erste Kreis

    Für L.

    Es ist ein Wissen
     
     

    IV LICHT TUNNEL

    Diese Angst, im eigenen Körper

    Lähmend 

    Was sagst du da

     Laß mich zurück

    Unfriede

    Ruhepause

    Ich hatte Angst

    Gesichter der Gesichter

    Für Walter Benjamin

     Die Fliegen, Menschen Eintagsfliegen

    Und kämen die Besucher

    Klein bleibt auch Baudelaires Grab

    Resurrection

    Du weißt es noch nicht?

    Und hier im Körper schon

    Durchgebrochen aus der ganzen Klaviatur

    Oder du liegst in dieser metaphysischen Schaukel

    Ist es nicht so

    Nach René Char

    Nachtgespräch mit Hermann Oberth

    Lache
     
     

    V LICHT, DIE SCHNELLE GRENZE

    1

    Grenzstationen

    Gebrochenes Auge

    Was geschieht

     Warum bin ich in diesem Augenblick

    Beim Erwachen

    Nichts ist verloren
     
     

    2

    Ging meinem Leben 

    Aber du, Vers

    Aber diese Feder im Kopf

    Für Paul Celan

     Baum, Olivenbaum

    Darüber hinaus, verschwiegen

    Es weiß die lebendige Welt

    Aber das schwarze Loch Zeit

    Der Stein 

    Du hofftest 

    Uneinlösbarkeit

    Autorittrato

    Nicht in der Sprache

    Für Ernst Meister: Vater Abgrund

    Mutterleib
     
     

    VI PARALLELE UNIVERSEN
     
     

    Wann Brodskij

    Grenzen Los

    Ein Sprechen hinüber

    Wenn ich es umkehre

     Mein Körper löst sich vom Denken

    Warte nur Zeit wie eine Nuß

    Im momenthaft gebauten Kehlkopf

    Geist zu sein

    Was da auf uns zukommt

    Die besten sind in den Heilanstalten

    Heute: Als wäre die Decke dünner

    Wann wird es wieder älter sein

    Verzweifelt such ich Celan

    Aber da springt ein

    Umgeschrieben soll es hier stehen

    Für Carlos Mutter

    Doch sogar was wir sehen

    Ontologische Zensur

    Sich einschalten können

    Wie sich die Zustände wandeln

    Es war schon alles fertig da

    Die Unruhe

    Chaussee nach Rom

    Das hypnotische System

    Oder der vielsprachige Wilcock in Rom

    Aber wo der Traum beheimatet ist

    Als die Worte

    Aber die stählernen Sätze

     Häng dich ab

    Du kannst nicht schreiben

    Die Menschen sind Drogen
     
     

     FRAGMENTE ZU EINER  POSTHUMEN POETIK 

 
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    EXILE
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
              F ür al le s gi bt e s k ü n st li c h e n E rs at z: F ür V o rf a hr e n, E h e u n d N a c h k o m m e n s c h af t. In K rä m pf e n s c h af ft m a n ih n u n d g e ht , w e n n m a n ni c ht s c h o n a n d e n K rä m pf e n z u gr u n d e g e g a n g e n is t, a n d er T r o st lo si g k ei t d e s E rs at z e s z u gr u n d e. 

              F ra n z K af k a


     
     
     
     
     
     

    WEISS ICH DENN wo wir gelandet 

    auf welchem Stern hier 

    und am Ende steht der Anfang muster gültig
     
     

     So wie die Meise

    klopft der Kopf

    Nein wie die Eule Nie

    auf Äste kommt
     
     

    Nach ihrem Flug

    wie Wissen 

    auf keinen Grünen Zweig

    gekommen.
     
     

    Doch weiß ich schon, daß dieses gilt

    nur innerhalb der uns bekannten Welt, 

    und seh wie diese Zeile an ihr sägt

    von Tag zu Tag an Folgen reicher,

    Zeit, ihr eigener Ast, auf dem dies steht.
     
     

    Z urück also wie nie gewesen,

    und bist, wo sie einst starben,

    wie unser Riß im Ersten Krieg begann.

    Vorher war alles genau und bunt

    auch blau der Himmel, seelenangepasst,

    sogar die Stadt schlief selbst in

    aller Armut fest. Und eine Blume

    am Morgen aufsah zu dir wie erkannt.

     Das Leichte wie ein Vogel durch dich flog,

    und fühlbar war nicht nur das Gras, du, 

    barfüßig begegnete ihm auch das Herz,

    liebte  im Wald am Boden liegend, 

    wie es höher schlug, raschelnd 

    trockne Blätter, kleine Wickel

    wie ein Hauch von 

    flüsternden Elfen wog  es aus

    dein Leben.
     
     
     
     

    H ier in diesem Haus

    rein historisch gesehen

     nur solchen Dingen nah

    die unwirklich sind:

    Weingärten im Juni

    und wahrscheinlich viel zu grün

    für mein Auge

    Kastanienwälder an den Hängen des Apennin

    die ebenso rauschend Ruhe

    spielend bewältigen

     wie in den Zeiten meiner transsylvanischen Kindheit
     
     

    Hier in diesem Haus

              - nach Aussagen alter Bewohner

    meist um die achtzig -

    sind viele Menschen zur Welt gekommen

    und keiner gestorben
     
     

     ich bin das einzige Phantom
     
     
     
     
     
     

    W EISSBLAUE ZIMMER

    und dünne Milch der Kindheit

    vorgefunden in meiner unverrückbaren Phantasie

    sind nun herbstlich braun und gelb 

    doch anders als ich selbst

    die Geister hier in meinen vier Wänden

    sind älter geworden

    blauweiße milde Gestalten

    und die Puppen im Jugendstil

    verschwinden 

    nachts kommen Falter in mein Arbeitszimmer

     und allerlei Getier das die Dunkelheit liebt:

    und alle scheinen mit Zeichen beladen
     
     

    Die Menschen um mich

    sind alle verletzlich

    und jeder liebt sein Unglück wie ich selbst

    die unbekannte Realität aber wird

    täglich abgelegt mit dem Morgenkaffee

    und mit diesem Satz wahrgesagt
     
     

    Weißblaue Zimmer

    und dünne Milch der Kindheit

    vorgefunden in meiner unverrückbaren Phantasie

    sind nun herbstlich  gelb und braun.
     
     

        *
     
     

    Jemand aber spielt brutal auf meinem Rücken

    die erste Geige 

    entzieht mir den Boden unter den Füßen

    daß ich mich für den Schlag bücken muß
     
     

    Mein Name wird vom Wind verblasen

     ein Schatten fällt mir

    über den Weg - es ist nicht der eigene

    den ich zu Hause liegen ließ
     
     

    Ein bißchen Haus hier

     hilft mir nicht weiter

    und ich stehe wie immer schon

    draußen

    vor der Tür.
     
     

    Die  Väter wurden alt

    Und ihre Söhne tragen

    Die Last nicht mehr 

    Sie schlagen sich über all die Zeiten hinweg

    Der Platz aber -

    Ist leer.
     
     

    Auf diesen Plätzen steht das Jahr

    Und weiß nicht aus noch ein

    Die Söhne vergessen die Qual

    Und werden langsam zu Stein. 
     
     
     
     
     
     

    Säuglinge junge Welpen Kinder sind Geister

    Hierher herabgekommen  inkarniert 

    Auf angeblich festem Boden
     
     

     Ich weiß es zieht mich nur zu ihnen

    Und kaum ins Leben zu den verwachsenen

    Leuten die tief in den Schlaf

    Gefallen/ tief im Vergessen

         nur manchmal

    Träumt der Tote in ihnen und gibt ihnen Angst ein
     
     

     Ich möchte zu euch

      Gemeinschaft der Geister die alle 

       schon in uns wachsen und leben

    Schmerzend verpackt im Fleisch.
     
     
     
     

    KINDER LOSE
     
     

    W ann kommt denn mit ihnenEtwas Neues, mein Kind, mein Sohn

    Lebst du lang genug

    ES zu wissen eingeschrieben in dieses

    Einsilbige Tor?
     
     
     
     

    Enkel zum Aufhalten der Zeit kaum

     Lächlt der Clown der weiß:

    Schreib Milliarden Bücher 

    Für den Rest: fünf Milliarden Erdenjahre noch

    Oder mime den Hiero-Gamos mit heiligem Sperma

     Das eine Buch 

    Zu widerlegen/ das Eine. 
     
     

    SO WERD ICH STEHLEN wie ich denke, 

    ein Kuß dem Berg der Wange dieser Welt. 

    Kein Schlag. Der Vers sieht 

    alle Sterne, und  weißt du noch, 

    wo diese Sterne sind? 
     
     

     Ein weißer Punkt am Himmels Zelt.
     
     

    Der Menschenhof/ und du am Fenster

    Zählst alle noch:  das KinderABC 

    Und scheinbar läuft Erinnerung ab 

    mit Katzen durch den Schnee.
     
     

    Herr Bählamm vor dem offnen Fenster, 

    in einer Fibel Laut Gelesener, 

    Perlmutt Gesangbuch feste Burg. 

    Der Winter, der den Kuckuck zählt,

    Sonst Nichts, die vielen Jahre.
     
     
     
     

    Was aus den Märchen kommt im Alter wieder

    rätst du mit ihm und machst es fest im Tag der sinkt
     
     

    hast ausgesucht was nicht mehr kam und starb 
     
     

     Erfahrung sammelt

    den Kern: knackende Äste hölzerner Finger
     
     

    knackten die härtesten Nüsse im Laub

    als du noch drüben warst  mit allen Sinnen 
     
     

    und als es wehtat  so/ als wärst du ohne Haut
     
     

     GESPRÄCHE MIT  TOTEN KOLLEGEN 
     
     

    Du hast recht.

    Zuhause kann ich sein im Flattern

    des Tagpfauenauges (was liegt da

    unter dem vergrabenen Namen -

    wohl ein Erfinder?)
     
     

    Zuhause auch zwischen Tannenzapfenschuppen,

    die trocken abblättern (ich höre es richtig

    holzig klingen, so

    als sei eben ein Blauer Karpfen

    zum Geist in die Flasche geschwommen!)
     
     

    Nichts, außer daß sich  etwas rührt,

    mitten unter den Dingen!
     
     

    Zuhause bin ich auf alten Schulhöfen. Gestern

    habe ich geträumt: ich wickelte ihn, 

    den  angebissenen Apfel

    ein -  in  eine schwarze Turnhose. 

    Verstohlen lernte ich mit ihm  in der Pause.

    Blätterte in Heften und fraß mich vor Sorgen auf.
     
     
     
     

    Endlich habe ich ausgelernt.

    Und träume nicht  mehr von den Prüfungen, die

    ich unvorbereitet  bald - zu bestehen habe:

    im Juni. Und jetzt ist es Mai.
     
     

    Jetzt blättere ich in alten Schmetterlingssammlungen,

    das Tagpfauenauge ist zart aufgespießt

    sehe mir die Herbarien an, die Aquarien und Kataloge, sogar

    ein schönes Hochglanzfoto von meinem Vaterhaus

    liegt platt in meinen schwarzen Alben.
     
     

    Zünftig, zünftig, sagt der Geist aus der Flasche.
     
     

    VOM WEITERMACHEN IM SITZEN
     
     

    Wenn ich diese violetten Blumen vor meinem Fenster sehe

    mich abmühe sie wirklich zu sehen - die verkrüppelte Pergola

    mit dem Wein mich fragen muß ob ich später wohl weiß

    was ich meine -  es bleiben ja nur die Wörter stehen

    die nicht mehr weitermachen wenn ich sie weglege

    halte ich auf gut Glück einen Augenblick fest mehr

    gelingt nicht als die Erinnerung an andere violette Blumen

    und die Pergola von früher die in mir weitermacht.

    Und ich kann sie nicht genau beschreiben sie kommt

    aus der Wiese da vor mir die ich nicht mehr sehe

    wenn ich meinen Blick wegwende dieser weißen Fläche zu.
     
     

    *

    Und das Wandern der Herde -

    im Bildschirm verschluckt sie das Glas
     
     

    Keine Röte mehr auf unserem Gesicht

    trotz Sonnenuntergang

    denn die Scham liegt tiefer
     
     

    Das einst bis zur Erschöpfung

    zitierte Herz

    begreift nichts mehr.
     
     

     HIMMEL ODER ERDE

    (Blandianas Engel.)
     
     

    1

    Der Himmel wäre der Himmel herabgestiegen

    wäre er stofflich verdichtet 
     
     

     Als habe er uns versucht 

    als habe er vor

    der Erde zu gleichen sie schwerelos zu heben 
     
     

    Bin ich bin ich vor ihm da

    gewesen erst wenn er kommt

    mich mitnimmt Himmel

    in den ich bohrte dachte/ nach oben 
     
     

    er ist 
     
     

    2
     
     

     Überall ist Himmel sagt die Blume

    Päonie wie ein weißer

    zurückgelassener Kopf

    Fand ich ja fand ich tief in der Erde:
     
     

    Was war was du warst was immer war

    hier zurückgelassen zeitgelagert

    Schichten Schichten

    Skelette Haare Gold und Bernstein

    Schrift und Sarg 
     
     

    Nein
     
     

    Auf den Friedhöfen Nein auf den Friedhöfen

    ist Niemand begraben ist niemand 
     
     

    3

    Trauernde geistern wie Phantome

    über den Kies und knirschen 

    mit den Schuhen über die Erde faul

    ist das Blumenwasser alt uralt 
     
     

    Der Himmel aber ist jetzt  ist jung und da

    und lebt und webt ein Vogel 

    singt
     
     

    vergeblich kein lebendiger Vogel kein Vogel

    außer im Kopf 

    da ich das Leben einatme 

    ausatme den Himmel.
     
     
     
     

     ZU ANNETTE ROWDONS "RESURRECTION"II
     
     

    So geht er um, am Tag noch ungesehen,

    und vorgestellt, Figur; die Geister hier,

    und alles, was nie sein kann, ist 

    jetzt weich geschehn.
     
     

    Im Blick verwandelt sich ein Grab, bewegt,

    und füllt, als wärs die Liebe, die nie ruht,

    die alles, auch das Kommende in uns regt 

    den Knochenkörper schon mit Fleisch -
     
     

    in uns die große Umkehr: 

    so

    als wäre alles wieder gut.
     
     
     
     
     
     
     
     

     NOOTEBOOM
     
     

    ich bin der weg
     
     

    ein jesushaiku

    oder geöffnet nach osten

    mit laotse jetzt
     
     

    halt die zeit

    verkehrsregeln wieder

    der chaussee

    klein geschrieben

    im fluß tod
     
     

    hol die bilder aus dem auge,

    nicht aus dem blatt

    ein kopf  los elend
     
     

    der gedanke schießt wie der weg

    in die ferne

    aber in der ferne

    bin ich weg
     
     

    ein röntgenbild korrigiert

    dn schein/ ich erkenne

    die höhle

    mein auge 
     
     
     
     
     
     
     
     

JA, HERRN COGITO rauchte

der Kopf,

als er im  Durchbruch endlich wieder

den Himmel sah,

da zählte er die Sterne seiner neuen Blitze. Und

als alles darin verbrannte, erkannte er,

wie er durchsichtig wurde und sich durchschaute.
 
 

Die heute so weitreichende Empirie verbrannte er im Hirn/ wie

in einer Müllverbrennungsanlage.
 
 

So rauchte tatsächlich sein Kopf

mit Erfolg.  Und da diese Logik sich selbst aufdenkt,

und vergißt und den Kopf zerbricht, kann die Liebe

heraussteigen:

vor allen Dingen.
 
 

         Im Himmel aber warten sie

         voller Spannung schon auf dich...