EXILE
F ür al le s
gi bt e s k ü n st li c h e n E rs at z: F ür V o rf a hr e n,
E h e u n d N a c h k o m m e n s c h af t. In K rä m pf e n s c h
af ft m a n ih n u n d g e ht , w e n n m a n ni c ht s c h o n a n d e
n K rä m pf e n z u gr u n d e g e g a n g e n is t, a n d er T r
o st lo si g k ei t d e s E rs at z e s z u gr u n d e.
F ra n z K af k a
WEISS
ICH DENN wo wir gelandet
auf
welchem Stern hier
und
am Ende steht der Anfang muster gültig
So
wie die Meise
klopft
der Kopf
Nein
wie die Eule Nie
auf
Äste kommt
Nach
ihrem Flug
wie
Wissen
auf
keinen Grünen Zweig
gekommen.
Doch
weiß ich schon, daß dieses gilt
nur
innerhalb der uns bekannten Welt,
und
seh wie diese Zeile an ihr sägt
von
Tag zu Tag an Folgen reicher,
Zeit,
ihr eigener Ast, auf dem dies steht.
Z
urück
also wie nie gewesen,
und
bist, wo sie einst starben,
wie
unser Riß im Ersten Krieg begann.
Vorher
war alles genau und bunt
auch
blau der Himmel, seelenangepasst,
sogar
die Stadt schlief selbst in
aller
Armut fest. Und eine Blume
am Morgen
aufsah zu dir wie erkannt.
Das
Leichte wie ein Vogel durch dich flog,
und
fühlbar war nicht nur das Gras, du,
barfüßig
begegnete ihm auch das Herz,
liebte
im Wald am Boden liegend,
wie
es höher schlug, raschelnd
trockne
Blätter, kleine Wickel
wie
ein Hauch von
flüsternden
Elfen wog es aus
dein
Leben.
H
ier in diesem Haus
rein
historisch gesehen
nur
solchen Dingen nah
die
unwirklich sind:
Weingärten
im Juni
und
wahrscheinlich viel zu grün
für
mein Auge
Kastanienwälder
an den Hängen des Apennin
die
ebenso rauschend Ruhe
spielend
bewältigen
wie
in den Zeiten meiner transsylvanischen Kindheit
Hier
in diesem Haus
- nach Aussagen alter Bewohner
meist
um die achtzig -
sind
viele Menschen zur Welt gekommen
und
keiner gestorben
ich
bin das einzige Phantom
W
EISSBLAUE ZIMMER
und
dünne Milch der Kindheit
vorgefunden
in meiner unverrückbaren Phantasie
sind
nun herbstlich braun und gelb
doch
anders als ich selbst
die
Geister hier in meinen vier Wänden
sind
älter geworden
blauweiße
milde Gestalten
und
die Puppen im Jugendstil
verschwinden
nachts
kommen Falter in mein Arbeitszimmer
und
allerlei Getier das die Dunkelheit liebt:
und
alle scheinen mit Zeichen beladen
Die
Menschen um mich
sind
alle verletzlich
und
jeder liebt sein Unglück wie ich selbst
die
unbekannte Realität aber wird
täglich
abgelegt mit dem Morgenkaffee
und
mit diesem Satz wahrgesagt
Weißblaue
Zimmer
und
dünne Milch der Kindheit
vorgefunden
in meiner unverrückbaren Phantasie
sind
nun herbstlich gelb und braun.
*
Jemand
aber spielt brutal auf meinem Rücken
die
erste Geige
entzieht
mir den Boden unter den Füßen
daß
ich mich für den Schlag bücken muß
Mein
Name wird vom Wind verblasen
ein
Schatten fällt mir
über
den Weg - es ist nicht der eigene
den
ich zu Hause liegen ließ
Ein
bißchen Haus hier
hilft
mir nicht weiter
und
ich stehe wie immer schon
draußen
vor
der Tür.
Die
Väter wurden alt
Und
ihre Söhne tragen
Die
Last nicht mehr
Sie
schlagen sich über all die Zeiten hinweg
Der
Platz aber -
Ist
leer.
Auf
diesen Plätzen steht das Jahr
Und
weiß nicht aus noch ein
Die
Söhne vergessen die Qual
Und
werden langsam zu Stein.
Säuglinge
junge Welpen Kinder sind Geister
Hierher
herabgekommen inkarniert
Auf
angeblich festem Boden
Ich
weiß es zieht mich nur zu ihnen
Und
kaum ins Leben zu den verwachsenen
Leuten
die tief in den Schlaf
Gefallen/
tief im Vergessen
nur manchmal
Träumt
der Tote in ihnen und gibt ihnen Angst ein
Ich
möchte zu euch
Gemeinschaft der Geister die alle
schon in uns wachsen und leben
Schmerzend
verpackt im Fleisch.
KINDER
LOSE
W ann
kommt denn mit ihnenEtwas Neues, mein Kind, mein Sohn
Lebst
du lang genug
ES zu
wissen eingeschrieben in dieses
Einsilbige
Tor?
Enkel
zum Aufhalten der Zeit kaum
Lächlt
der Clown der weiß:
Schreib
Milliarden Bücher
Für
den Rest: fünf Milliarden Erdenjahre noch
Oder
mime den Hiero-Gamos mit heiligem Sperma
Das
eine Buch
Zu widerlegen/
das Eine.
SO
WERD ICH STEHLEN wie ich denke,
ein
Kuß dem Berg der Wange dieser Welt.
Kein
Schlag. Der Vers sieht
alle
Sterne, und weißt du noch,
wo diese
Sterne sind?
Ein
weißer Punkt am Himmels Zelt.
Der
Menschenhof/ und du am Fenster
Zählst
alle noch: das KinderABC
Und
scheinbar läuft Erinnerung ab
mit
Katzen durch den Schnee.
Herr
Bählamm vor dem offnen Fenster,
in einer
Fibel Laut Gelesener,
Perlmutt
Gesangbuch feste Burg.
Der
Winter, der den Kuckuck zählt,
Sonst
Nichts, die vielen Jahre.
Was
aus den Märchen kommt im Alter wieder
rätst
du mit ihm und machst es fest im Tag der sinkt
hast
ausgesucht was nicht mehr kam und starb
Erfahrung
sammelt
den
Kern: knackende Äste hölzerner Finger
knackten
die härtesten Nüsse im Laub
als
du noch drüben warst mit allen Sinnen
und
als es wehtat so/ als wärst du ohne Haut
GESPRÄCHE
MIT TOTEN KOLLEGEN
Du hast
recht.
Zuhause
kann ich sein im Flattern
des
Tagpfauenauges (was liegt da
unter
dem vergrabenen Namen -
wohl
ein Erfinder?)
Zuhause
auch zwischen Tannenzapfenschuppen,
die
trocken abblättern (ich höre es richtig
holzig
klingen, so
als
sei eben ein Blauer Karpfen
zum
Geist in die Flasche geschwommen!)
Nichts,
außer daß sich etwas rührt,
mitten
unter den Dingen!
Zuhause
bin ich auf alten Schulhöfen. Gestern
habe
ich geträumt: ich wickelte ihn,
den
angebissenen Apfel
ein
- in eine schwarze Turnhose.
Verstohlen
lernte ich mit ihm in der Pause.
Blätterte
in Heften und fraß mich vor Sorgen auf.
Endlich
habe ich ausgelernt.
Und
träume nicht mehr von den Prüfungen, die
ich
unvorbereitet bald - zu bestehen habe:
im Juni.
Und jetzt ist es Mai.
Jetzt
blättere ich in alten Schmetterlingssammlungen,
das
Tagpfauenauge ist zart aufgespießt
sehe
mir die Herbarien an, die Aquarien und Kataloge, sogar
ein
schönes Hochglanzfoto von meinem Vaterhaus
liegt
platt in meinen schwarzen Alben.
Zünftig,
zünftig, sagt der Geist aus der Flasche.
VOM
WEITERMACHEN IM SITZEN
Wenn
ich diese violetten Blumen vor meinem Fenster sehe
mich
abmühe sie wirklich zu sehen - die verkrüppelte Pergola
mit
dem Wein mich fragen muß ob ich später wohl weiß
was
ich meine - es bleiben ja nur die Wörter stehen
die
nicht mehr weitermachen wenn ich sie weglege
halte
ich auf gut Glück einen Augenblick fest mehr
gelingt
nicht als die Erinnerung an andere violette Blumen
und
die Pergola von früher die in mir weitermacht.
Und
ich kann sie nicht genau beschreiben sie kommt
aus
der Wiese da vor mir die ich nicht mehr sehe
wenn
ich meinen Blick wegwende dieser weißen Fläche zu.
*
Und
das Wandern der Herde -
im Bildschirm
verschluckt sie das Glas
Keine
Röte mehr auf unserem Gesicht
trotz
Sonnenuntergang
denn
die Scham liegt tiefer
Das
einst bis zur Erschöpfung
zitierte
Herz
begreift
nichts mehr.
HIMMEL
ODER ERDE
(Blandianas
Engel.)
1
Der
Himmel wäre der Himmel herabgestiegen
wäre
er stofflich verdichtet
Als
habe er uns versucht
als
habe er vor
der
Erde zu gleichen sie schwerelos zu heben
Bin
ich bin ich vor ihm da
gewesen
erst wenn er kommt
mich
mitnimmt Himmel
in den
ich bohrte dachte/ nach oben
er ist
2
Überall
ist Himmel sagt die Blume
Päonie
wie ein weißer
zurückgelassener
Kopf
Fand
ich ja fand ich tief in der Erde:
Was
war was du warst was immer war
hier
zurückgelassen zeitgelagert
Schichten
Schichten
Skelette
Haare Gold und Bernstein
Schrift
und Sarg
Nein
Auf
den Friedhöfen Nein auf den Friedhöfen
ist
Niemand begraben ist niemand
3
Trauernde
geistern wie Phantome
über
den Kies und knirschen
mit
den Schuhen über die Erde faul
ist
das Blumenwasser alt uralt
Der
Himmel aber ist jetzt ist jung und da
und
lebt und webt ein Vogel
singt
vergeblich
kein lebendiger Vogel kein Vogel
außer
im Kopf
da ich
das Leben einatme
ausatme
den Himmel.
ZU
ANNETTE ROWDONS "RESURRECTION"II
So geht
er um, am Tag noch ungesehen,
und
vorgestellt, Figur; die Geister hier,
und
alles, was nie sein kann, ist
jetzt
weich geschehn.
Im Blick
verwandelt sich ein Grab, bewegt,
und
füllt, als wärs die Liebe, die nie ruht,
die
alles, auch das Kommende in uns regt
den
Knochenkörper schon mit Fleisch -
in uns
die große Umkehr:
so
als
wäre alles wieder gut.
NOOTEBOOM
ich
bin der weg
ein
jesushaiku
oder
geöffnet nach osten
mit
laotse jetzt
halt
die zeit
verkehrsregeln
wieder
der
chaussee
klein
geschrieben
im fluß
tod
hol
die bilder aus dem auge,
nicht
aus dem blatt
ein
kopf los elend
der
gedanke schießt wie der weg
in die
ferne
aber
in der ferne
bin
ich weg
ein
röntgenbild korrigiert
dn schein/
ich erkenne
die
höhle
mein
auge