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My Snazzy List of LinksLiterature:Auschwitz:
Caen. 27. 8. Das ist der Kopf nach dem Strohhaufen mit Blick auf den Mont St. Michel. Da zu sein, immer noch unsicher, am Leben zu sein. Tatsächlich ein Phantom, das wegen der andauernden Greifbarkeiten, Handgreiflichkeiten der äußeren Welt (auch wegen L.) in Wut gerät. Rief mehrmals Schutzgeister an. Warum sie mich so schlecht versorgen, meine Reflexe nicht besser lenken. Und das Mantra. Das half ein wenig. Fuhr also, das ist immer ein Streß. Außer mir eben. Der T., ach der T. auf dem Mont SM. Auch hier wieder gotische Kirche, dann Coutance, von ferne wie eine Nibelungenburg. Und dort beim Optiker, kann ich dann besser sehen? Sowohl der Atlantikwall von Grandville Haute mit den zerschossenen Bunkern, dem weiten Meerblick bis Jersey und Guernsey, als auch die Toten, die überall herumschwirrten, im Kopf, als auch der Hl. Michael vom Berge, den sie vertrieben hatten, und der sich dort nicht mehr halten konnte, spukten im Hirn. Vor allem aber Streß der entlernden???, böse Geister anziehenden Fahrten spukten im Hirn. Dachte an meinen Sohn, der auch nicht da ist, nicht anwesend sein kann. Der arme Kerl. Prüft der Erzengel, und da muß an Rilke gedacht werden, oje, diese Engelkultur, diese Poesie ... wenn ich es nur auch sagen könnte: du bist so groß, daß ich schon nicht mehr bin, wenn ich mich nicht nur in deine Nähe stelle... Du bist so dunkel; meine kleine Helle/ an deinem Saum hat keinen Sinn.// Nur meine Sehnsucht ragt dir bis ans Kinn/ und steht vor dir wie aller Engel größter." Der gute alte Michael, so auch wieder nicht, wie er da auf der Spitze steht: gepanzert, mit Schwert, eiserner Strahlenring. Wie idiotisch menschennah der Herrschaft. Dabei willst du doch wirklich prüfen, wie es um meine Seele steht, schlecht. Klein. Elend. Und die Kräfte, mich dagegen zu wehren, nehmen ab. Kaum kann ich erwarten, daß er mich von den niedrigen Seelen, die dumm dahinleben, trennt, und mitnimmt in den postmortalen schönen Zustand. Mich gar vor den mich anfallenden Dämonen, also jenen, die entkörpert weiter so tun, als wären sie noch im Fleisch. Auch eine Reise zum Mont Gargan in Süditalien wird nicht helfen. Was bleibt vom Besuch. Vielleicht soll man sich vorstellen eine Messe im 10. Jhdt. Gregorianischen Gesang, aber auch in dieser Stimmung ist das Gift des Abendlandes da. Und auch vergeistigte Innenwesen sollten wir nicht Engel nennen, auch der Poesie wegen nicht. Wie nehme ich die Hülle weg, auch mein verseuchtes Ich anders zu lenken, als in dieser Tradition. Waffengeklirr, Bekehrungseifer. Zwang. Ja, eine Zwingburg, so erscheint der Mont ganz nah, Grausen der Gemäuer. Erst von Ferne ist er feenhaft, schön. Und als Mirakel der Natur inmitten des Meeres und des Watts zeigt er, was er eigentlich hätte sein müssen: Einsamkeit, Weltabgeschiedenheit, doch wund und geöffnet, nicht drei Wachtore. Was kann ich erinnert von ihm wiederholen, Stimmung im Wissen vom Geschehen steigern? Hundertjähriger Krieg, verbrämt mit dem Wort "Rosen"? Die Schlachtfelder hier eine verspätete Rache? Nun ja, der Kreuzgang, der Innenhof. Gestickter Stein, nun ja. Oder die Merveille: Gästesaal. Nun ja, die Spitzbögen, der Wald von Bögen und Durchbrochenem. Und daß ein bestimmtes Bauprinzip, daß die Gewölbe auf einem diagonal verlaufenden Bogengerippe ruhen, so war Gotik erst möglich. So waren dickleibige romanische Gewölbe unnötig, und schlanke, geistige Gewölbestrukturen eben mit dem ziselierten Licht. Dem Architekten fiel das ein. Woher fiel es ein? Das Apriorische beherrscht auch die Baugeschichte! Schon 708 brach jener durch, der den "Drachen" besiegt hatte, woher kam er, wer war er? Was ist diese postmortale Schicht des Himmels überhaupt, und weshalb konnte der Bischof Aubert von Avranches an die Tatsächlichkeit des Anrufes im Traum nicht glauben, ähnlich wie einst Thomas nicht? Als sich der Glaube ans Sichtbare, an Reliquien und Mauern, Waffen und Güter noch nicht verfestigt hatte, dieser Umgang mit verfestigten Illusionen, die als Machtschutz und Machtschutt angehäuft wurden? Dreimal wurde er aufgefordert, ein Kloster auf dem Mont- Tombe zu gründen, und erst als er nach-drücklich von seiner Hand berührt wurde, glaubte er es. Die Delle im Totenkopf - der schmückt den Kirchenschatz von St. Gervais in Avranches -ist noch als Reliquie zu bestaunen. Mit Mühe gerettet von der Furie der "Revolutionäre" von 1789, die auch den Mont beglückten, daraus ein Staatsgefängnis machten, gleich daneben in der Merveille eine Schneiderei, die Kirche eine Fabrik für Strohhüte, Theater und Kornspeicher dazu. Schon 1791 verließen die letzten Mönche das Areal. War das nun eine Lösung, war nun der Geist endlich befreit, die Grenze nicht mehr vermauert? Mitnichten. Nun kam die Wut des Praktischen erst recht bis in jedes Detail. Vgl. dazu Walter Benjamins Passagenwerk. Totenkopf und kostbare Handschriften wenigstens wurden gerettet. Doch auch in Avranches wütete der Plebs, zerstörte die Kathedrale, jene, wo Heinrich II im Büßergewand Abbitte geleistet hatte wegen der Ermordung des Thomas Beckett im Dom von Canterbury. Und da denke ich jetzt nicht nur an Eliots Stück, sondern auch an die Stimme Becketts heute, der sich "meldete" in einer Cottage des Lehrers .... Auch in Coutances, wo mir ein Optiker die Brille reparierte, ist wichtiges Herkunftsland, auch literarischer Themen, aber auch des Mordes. Von hier stammt die Familie Hauteville, Tancred, Roger, Manfred, Robert Guiscard - die Normannen, die die Königreiche in Sizilien begründeten. 28. August. Doch nicht nur die alte Geschichte, sondern bis heute: Utah Beach - Graus dieses Erdenlebens. Haben die Amerikaner nicht recht, aus ihrer Landung und Befreiungsaktion totalen Kitsch zu machen, die ganze Landschaft ist mit Gedenkstätten verseucht. In Utah B. am Strand alte Panzer und Kanonen. Feuer dieser Angriffe. Und die Deutschen nicht zu vergessen, die auch ein Staat hierher geschickt hat, Zwang, Desertion - dafür steht der Tod. Diese dumme Verherrlichung hier der Schlachten. Und immer noch denke ich vor allem an die deutschen Gefallenen. L. sagt, ich kann mich nicht identifizieren, auch die deutsche Fahne fehlt ja. Und morgen nun Rouen mit Jeannes Verbrennung. Die Maschine der Zerstörung außen und innen. Auch in mir spürbar, die Wut gegen die Dinge, rast die Furie der Entropie. Was solls. Ohnmächtige Wut des Selbsthasses. Ursache oft Mißlingen. Oft Dinge. Vergaß die Kamera. Das Fahrrad ließ sich nicht aufpumpen. Unbehagen beim Morgenlauf. Jedes körperliche Dasein, vor allem auch wenn Leute da sind, schafft Mißbehagen. St. Vaast. angenehmer. (Für Vortrag: Auch Notizheft vor 26. 8. -Gnade der späten "Bewältigung" - gelassener und aus größerer Distanz. Was allerdings auch hieße: daß viel von dem aufgenommen wurde, was allgemein diesen Prozeß bei den Deutschen betrifft. Was nicht bei vielen der Fall ist! - Allgemeinheiten vermeiden. Schon Unterschiede zwischen einzelnen Individuen: Ali- Roland. In der eigenen Familie schon. Was ich auch in meiner Prosa versucht habe. - Wirkliche Fälle und Details, keine Ideologie! Vom Einzelfall, vor allem der "Führung" nicht aufs Ganze schließen. - Die wirkliche Mühle der Geschichte, die ich jetzt wieder beim Besuch in der Normandie, wo es reine militärische Handlungen, auch keine Strafmaßnahmen gab, Landung. Und die "Heldentaten" waren immer dieser Art: von Hannibal bis Napoleon. Einschub: Wort und Geschehen! Tukydides. Wahnsinn der Zerstörung. Sehr komplex. - Die Argumente der Älteren mit ihrer Immer-Noch-Hörigkeit prüfen auch die Gründe. Sie gehören mit zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Bei uns sogar zentral: -Hängen sie auch mit dem Minderheitenstatus zusammen, der altgewohnten und notwendigen Selbstverteidigung, und ein bestimmter konservativer Charakter , der daraus entspringt. So schon 1923. Bedürfnis nach Schutz nach dem Beginn des Minderheitenstatuses ab 1867/76! Ist nach 89 wieder ein Besinnen auf Solidarität der Gruppe nötig. Auch weil sie Auch weil sie klein, geschlagen und dem Untergang geweiht. Jetzt zusätzliche Schwierigkeit: als wären wir auch hier wieder Deutsche zweiter Klasse, ja, Fremde. Rente, Paß. Daß wir als Beutegermanen mißbraucht, auch in KZ (Herr Liehrer, sänjt ech dat do gesähn ... Aber andereseits seit 40 mit unserer (jetzt aus diesem Grunde untergegangenn Geschichte) zur deutschen Geschichte gehören - ist ein Argument der Anerkennung, des ungeschmälerten Rechtes in diesem Lande! Aber auch die Konsequenzen seit 44 sind nicht nur unsere Konsequenzen!! Was ist am "Revisionismus" dran?! Und das Relativieren der Nazi-Verbrechen.) 29./30. 8. Jeder Schritt körperliches Leben ist eigentlich eine Katastrophe, nur Tücke der Objekte in ihrer Kleinheit, beschäftigen nicht sie mich andauernd, auch jetzt, obwohl ich St. Vaast von vorgstern, Rouen von gestern beschreiben müßte, "Größe". Ha. Nicht nur die Abnützung der Furie rast, sondern auch ihre Erniedrigung auf Schritt und Tritt. Etwa morgens im Klo, wo ich Cioran las, die unwillkürliche Handbewegung, und an der blendendweißen Wand entstand ein kritzliges Strichmännchen, suchte das Radiergummi , löschte. Ha. Oder rieb am blauen Teppich vor der Muschel die versehentlich abgetropften Urinspuren weg. Kniend. Von der moralischen Erniedrigung durch Worte, die dies Weib, mit dem ich immer noch zusamnenbin, zu schweigen. Was war es nur heute? Vorwürfe über V. Daß sie gestern zuviel fahren mußte. Daß ich schrieb, zum Fenster raussah. Jetzt daß ich Papier in die Papierkörbe, beim Schneiden der Nägel die Nägelspuren in den vorbereiteten Korb geworfen habe. Dann andauernd Mißverständnisse Ich sagte Franken, sie verstand Franc. Usw. Oder : Du tust so, als ginge es dich nichts an. (Einkäufe.) Oder: Geh jetzt, man kann es ja nicht ansehen, weil ich aufs Klo mußte. So beginnt also ein Tag. Vorher anderee Kleinigkeiten beim Morgenlauf: Daß der Hund an der Leine zieht, sich hinsetzt. Daß es kein Brot gibt, nur Flûte. Daß dieses auf dem Heimweg zerbricht. Winzigkeiten, die meine mangelnde Souveränität zeigen. Und auch im Traum bin ich ein untergeordneter Diener, werde von einem Chef (Bank?) beschimpft. Es hängt eigentlich damit zusammen, daß ich nicht mit meiner körperlichen Erscheinung, mit den Dingen, den Leuten, der Umwelt umgehen WILL! Sie interessieren mich nicht, auch L. und ihr Tag, ihre Art interessiert mich nicht. Und auch diese Städte und Landschaften nehme ich nur als "Rohstoff". Mein Lebensstil wäre ein radikaler Abschied. Nicht nur von L. sondern von allem, was Außenwelt ist. Also Einsiedlerdasein. Und Umgang mit mir selbst in dieser Gedankenwelt. Wie schön wäre es, wenn ich eine Partnerin hätte, mit der ich so sprechen könnte, und dann ins Spirituelle gehen könnte. Auf allen Ebenen ist es nur ein Kampf um mehr Macht und Einfluß. Ich wünsche sie gar nicht, möchte nur in meiner Ruhe gelassen werden, auch von diesr L. Und wehre mich nur, manchmal sehr aggressiv und heftig aus lauter Verletzung. Denn sie saugt mich in ihrer Primitivität auf, läßt mir keinen Raum mehr. Cioran hat dann recht, wenn er behauptet, das Glück könne nur einer Selbstpreisgabe gleichkommen, also Demut? Dann erst steigern wir uns. Früher habe es Götter gegeben, denen man sich gab, und jetzt, sind wir freier, da es sie nicht mehr gibt, so nicht! Das Nichts aber? Und unsere Sehnsucht frei sei? Mitnichten. Die wird durch solche "Götter", wie die Klomuschel und das Strichmännchen und das zerbrochne Brot, der Papierkorb, der alltägliche Dreck blockiert! Und die Nachbarn, die Frau. Daß sie so nahe sind, uns erniedrigen, unter Leuten, aber auch zu zweit eine Hölle haben, macht die Tage und Nächte andauernd voller zermürbender Gedanken, da Haß eingebrochen ist gegen sie. "Wohl mögen wir Stunde um Stunde" ihren "Untergang meditieren". "Ihn zu vernichten - dazu stacheln uns alle Gedanken an: wenn wir uns endlich entscheiden, so überkommt uns knapp vor der Tat plötzlich Feigheit. Wir sind potentielle Mörder jener, die in unserem Umkreis leben; daß wir es nicht tatsächlich sein können, frißt an uns, und wir versauern als willensschwache blutlose Versager." Ich wäre schon zufrieden, wenn ich mich trennen könnte, allein und in Freiheit zu leben, ohne das tägliche Geseiere, die Erniedrigungen, das andauernde streitende Geschrei. Dabei bin ich unendlich frei zu neuen "Zuständen" und Wirklichkeiten jenseits der Zeitbund des Körpers, und so unendlich weit entfernt von dieser L. und ihren dummen täglichen Ritualien. Sie holt mir den Unsinn dessen, was das Leben blockiert, es in dem Wahn des Vergangenen und des Körpers hält, Augenblick für Augenblick beengend nahe. Aber sie treibt mich auch zur Flucht, und zu diesem Schreiben. Alles, auch St. Vaast von ihr überschattet. Groll in mir. Mit diesem Gefühl umgingen wir das große Fort am Meer. Der Festungsturm mit dieser Kappe, man denkt an Don Quijote. Unsinnige Militärzone. Wofür heute. Schöner Rundspaziergang am Wattenmer. L. Angst, Schwindel, kann auf der Mauer nicht gehen. Der gleiche Turm auf der Insel von St. Vaast. Von Hier Jakob II Sohn der Maria Stuart mit Unterstützung des Sonnenkönigs 1692 gegen England und Holland aufgebrochen. Die Katastrophe dann vom Kap Hougue. Am Leuchtturm von Bartfleur, vorher der Hafen, gefährliche Strömungen, furchtbare Brandung, Klippen, Felsen. Der Turm sehr hoch. Hier also die Schlacht. Dann Flucht nach Hague, wo auch Strömung, können nicht nach St, Malo. Kommen wieder zurück und hier bei Hougue und der Insel Tatitou werden die schönsten Schiffe von Holländern und Engländern angegriffen, verbrennen. Überall diese Spuren von wahnsinnigen Machtkämpfen. "Geschichte", Tod. Doch als wäre ich da der "Wahrheit" näher. am schlmmsten ist die "Normalität" und Banalität. Sowohl der Schrecken, als auch die Schönheit. Jeder Engel ist schrecklich. "Denn das Schön ist nichts/ als des Schrecklichen Anfang". Dies also ist es, was mich wieder atmen läßt, der Abgrund, den wir andauernd vergessen im banalen Getue. Und dann wäre alles gut, was den Tod als Übergang in sich enthält? Abstreift dieses dumme Kleid, den Körper? Alles ein Hilfsmittel zum Untergang? Während dieses Geseiere immer nur ein verzögertes Bleiben ist. Das Baden, die Umgebung, das Meer, diese Berührung hier, im Gegensatz zum verseuchten Utah, da war ich wieder mit dem "Ganzen" verbunden, berührt. Sinn nämlich ergab sich. Eine Art Engel unsichtbar in mir, der die Botschaft brachte, es ist nicht alles klein, niedrig und sinnlos. Auch schon Gedichtbilder: also diese schiefen Boote, die bei Ebbe auf den Trocknen liegen, wie Käfer auf dem Rücken, wie tot, Möwen dazwischen, und: von hier ging Wilhelm der Eroberer nach England, so, wie ihn der Erzählteppich von Bayeux darstellt, macht diese Bindung möglich. In Cherbourg verfolgen mich die frühen Gedanken jenes Films "Die Regenschirme von Cherbourg", obwohl dieses ein anderes Cherbourg ist. Am alten Hafen? Alle diese alten Häfen überlagern sich, jetzt der von Dieppe, Hafenbecken, wo die Boote ganz unten liegen wie in einer Gruft, man Angst hat, hinabzufallen! Und Cherbourg von oben zuerst mit den vielen Befestigungen, Festungen sogar. Dann aber überlagert sich Dieppe und Le Havre. Dieppe, wo ich Granucci und den Anker suche. Wir zu den Falaises fahren, wo das Meer tobt und starker Wind. Und auch, daß Cioran hier viele Tage verbracht hat: Er schrieb mir Briefe von diesem grauen Ort, wie er sagte: anstatt in den schönen warmen Süden zu kommen. Ango, der Reeder hier. Kaperten von hier portugiesische Schiffe, über 300 an der afrikanischen Küste. Und Canadier sind 1942 hier (aus Heimatleibe) gelandet. Von hier aus wurde Canada kolonisiert. Zurückgeblättert: Besuch des Seine-Tals mit den Klöstern Jumièges und Wandrill. Wandrill vor allem, weil Maeterlinck hier war, das Kloster sogar wieder von Mönchen bewohnbar gemacht? Heute kennt niemand seinen Namen, ich frage nach ihm im "Magazin", wo nur lauter katholische Bücher und Kitsch verkauft werden. War hier einmal ein Geisterort. Auch Rouen: Jeanne. Ihre Stimmen machten sie so stark und handlungsfest. Doch die Stimmen brachten ihr auch den Tod durch die Inquisition. Jetzt ist das Kloster intakt, die Aura des Pförtners strahlt viel aus, eine subtile Geistigkeit. Und ich lese von der Hauptbeschäftigung der Mönche: "lecteur divin" lectio divina. Qui parle ainsi et l`ahme qui écoute et répond. Un sorte de "rumination" ce mot qui fait image est lui aussi traditionel, daß der Geist langsam das Herz ergreift. Doch selten läßt sich auch so in der Landschaft lesen, auch wenn diese sonst zur absoluten Präsenz zwingt, ist es heute schwer, solch eine "Lektüre" zu finden! Eine, die ich nicht vergessen kann ist das Val di Csesne mit Kühen, und vielen normannischen Strohdächen, abgeschieden, daß es war, als berühre tatsächlich der Geist der Landschaft hier, die Aura das Herz. Hier würde ich gerne leben. Weniger in Jumièges direkt an der sanft-gewaltätigen Seine, wo wir am Ufer Mittagessen, darüber nachdenken, daß die Selbstmörder von Paris hier vorüberschwimmen müssen. Und Jumièges, die Ruine mit dem schönen Park, ein anderes Schandmal der Revolution, es wurde einem Holzhändler überlassen, der das Kloster sprengte. Vor allem aber in Rouen ist der Bauzirkus anhand der Kathedrale an ihr abzulesen. Der Macht- und Glaubenszirkus. Jede Stadt ist eine Mühle der Vernichung, heute besonders, schon damals aber war es so. Thron und Altar, man kann die Revolution sogar verstehen. Natürlich gehts um Geld und Macht: 1190 beschließt das Kapitel, die Kirche mit einer hohen Mauer abzuschließen, Handwerker siedeln sich an, machen den Bürgern Konkurrenz, denn sie müssen keine Steuern bezahlen. So reißen sie die Mauer nieder. Das Kapitel exkommuniziert die ganze Stadt, 6 Monate keine Taufen, keine Begräbnisse, Hochzeiten etc. Bürger stürmen die "Immunität", schneiden den Priestern die Genitalien ab. Genau so ist es mit Jeanne, zuerst lebenslänglich, dann Tod, nach einigen Jahren rehabilitiert, im gleichen Gebäude des Erzbischhofs, wir gingen daran vorbei, und 1920 heiliggesprochenen. Dann die Verwüstungen der Glaubenskriege. Auch die Gräber zeigen die Eitelkeit, den Grund, warum darüber Kirchen angelegt werden, um Protzentum, Macht und Reichtum zu zelebrieren, nicht etwa Gott, den Kokurrenten. Etwa Louis de Brézé und Diane de Poitiers, die wurde Frau Heinrich II. Früher schon seine Mätresse. Sich für die Ewigkeit präparieren lassen in diesem Gräberzirkus, so etwa: Richard Löwenherz eine Tumba hier mit seinem Herzen, der Körper kam nach Fontevrault, die Eingeweide bestattet in Poitiers. Ekelhaft. Diese Reliquien, als wäre der Körper, das alte Kleid zu diesem Spektakel am besten geignet! Lächerlich alles. Auch etwa, daß der Butterturm finanziert mit Spenden für die Erlaubnis, während der Fastenzeit Milchprodukte essen zu dürfen. Bei der Qualität von Käse und Butter hier - der Reichtum des Butterturmes verständlich. Und weiter geht die "Geschichte" , die ja sowieso eine Geschichte der Narrheit und Verworrenheit ist! "Macht" und Gloire. Neuer Zirkus 1562 - Hugenotten besetzen Rouen, plündern das Gotteshaus der andern, zerschlagen Gräber und Skulpturen, schmelzen den Schatz ein. 1683 spendet Ludwig XIV zum Wiederaufbau, natürlich auch geraubtes Geld. Und dann die Große Revolution: die Zerstörung geht weiter, alle Metalle, Kupfer, Blei, Gold, Silber, ebenso die Glocken eingeschmolzen. Die Achskapelle für ein Getreidelager vermietet, das Ganze wird zum "Tempel der Vernunft", hölzerne Tribünen, die Kirche wird zum Konzertsaal. 1822 ein Blitzschlag, der Turm beshädigt. langwierige und eitle Diskussionen. Schließlich wirds gußeisern. Und natürlich muß nun zur Ehre der Bürger der höchte bekannte Turm entstehen: 151 Meter. Man merkt die Absicht ... Schließlich kommen die zivilisierten Allierten, Bombardements am 19. April 44, das südliche Seitenschiff völlig zerstört. Der Luftdruck zerstört weiteres. Wie wird der Zirkus weitergehen. Halt, auch schon 1787 wird der wunderbare Mittelpfeiler des Hauptportals beseitigt, um Platz zu schaffen für eitle und protzige Prozessionen des Klerus, für seine Selbstdarsteillung. Wahr, daß nur sterbende Gottheiten Freiheit geben. Wie jetzt nach dem Tod der Welterlösungsidee. Verbrauchte Gottheit. Doch die Psychologie des Irdischen beherrscht alles, der Haß, weniger die Sehnsucht. Sklaven, Fremde, die Rom erledigen wollten. Doch es stimmt: das reichte nicht. Selbsthaß wars. Der Plebejer, der Nichtse. Und der Sohn war selbst einer, ein Niemand, der zur angenagelten Leiche wurde. Schimpflichen Tod starb. Aber Erniedrigung, ists nicht Erhöhung? Bald aber bemächtigten sich die Reichen und Mächtigen des Armen und machten daraus ihr eitles Spiel. Ihre Verbrechen in seinem Namen, der das genaue Gegenteil wollte.
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